HomeGermanyInsightsKulturcode geknackt: So werden Marken Teil der Gen Z-Realität

Kulturcode geknackt: So werden Marken Teil der Gen Z-Realität

By
Loredana Julia Schelper
Date
May 23, 2025
Share

Die neue Währung: kulturelle Relevanz

Was bedeutet kulturelle Relevanz überhaupt? Es geht um weit mehr als Trends zu erkennen. Es bedeutet, dass eine Marke organischer Teil des Lebens ihrer Zielgruppe wird – nicht durch aufdringliche Werbung, sondern durch echte Bedeutsamkeit im gesellschaftlichen Kontext.

Die "True Gen"-Studie von McKinsey & Company belegt eindrucksvoll: Bis zu 81% der Gen Z-Konsumenten würden eine Marke nicht mehr kaufen, wenn sie mit ihren Werten nicht übereinstimmt. Mit anderen Worten: Fehlende kulturelle Relevanz ist der direkte Weg zur Bedeutungslosigkeit.

Gen Z: die Meister der kulturellen Authentizitätsprüfung

Die unter 25-Jährigen haben einen nahezu unfehlbaren Radar für unauthentisches Markenverhalten entwickelt. Aktuelle Studien belegen folgende Eigenschaften der Generation Z:

  • Digital Natives: 97% der 14-29-Jährigen sind täglich online; keine Trennung mehr zwischen Online- und Offline-Welt (ARD/ZDF-Onlinestudie 2022)
  • Werteorientiert: 70% der Gen Z kaufen bevorzugt Produkte von Unternehmen, die sie als ethisch agierend betrachten (McKinsey "True Gen"-Studie 2020)
  • Werbeskepsis: 99% der Gen Z überspringt Werbeinhalte und 63% nutzen Ad-Blocker – weit mehr als andere Altersgruppen (ADWEEK 2024)

Was viele Markenverantwortliche falsch verstehen: Gen Z will keine "coolen" Marken – sie will Marken, die ihre Werte verkörpern und ihre Sprache sprechen, ohne sich anzubiedern.

Der Weg zur kulturellen Einbettung: drei Ansätze mit echter Durchschlagskraft

In meinem Berateralltag beobachte ich immer wieder drei Methoden, die nachweislich funktionieren:

1. Kulturelles Zuhören als Marken-DNA verankern. Die Kunst des kulturellen Zuhörens geht weit über klassisches Social Media Monitoring hinaus. Ein kanalübergreifendes Frühwarnsystem für aufkommende Trends, Conversational Insights und Audience Signals muss etabliert werden und die gewonnenen Erkenntnisse werden dabei nicht nur für Kampagnen genutzt, sondern fließen systematisch in die gesamte Kommunikationsstrategie ein. Es bedeutet, jeden Berührungspunkt mit der Zielgruppe als Lernmoment zu begreifen und kontinuierlich Erkenntnisse in alle Unternehmensbereiche zu transportieren.

2. Von der Kampagnenlogik zur kulturellen Beteiligung. Die traditionelle Kampagnenlogik – planen, ausrollen, messen, wiederholen – funktioniert bei der Gen Z nicht mehr. Stattdessen geht es um kontinuierliche kulturelle Teilhabe. Dies bedeutet:

  • Die Schaffung von Räumen, in denen die Zielgruppe sich ausdrücken kann
  • Die aktive Unterstützung kultureller Bewegungen, die zur Marke passen
  • Der Mut, vom starren Marketingkalender abzuweichen, um auf kulturelle Momente zu reagieren

Kulturelle Beteiligung zeigt sich beispielsweise, wenn Marken zu aktiven Plattformen werden – wie etwa Adidas mit seinen Creator Studios, die lokalen Künstlern Raum geben, oder, wenn eine Marke wie die BVG mit ihrer Ticketkooperation mit Sneakerproduzenten unerwartet zur Protagonistin in der Streetwear-Szene wird. Diese Form der Beteiligung ist laut der Amazon Ads Studie "From Ads to Zeitgeist" besonders effektiv: So wünschen sich 70% der erwachsenen Verbraucher der Gen Z ein besseres Zugehörigkeitsgefühl und eine Community und 65% geben an, dass Marken diese gemeinsamen Erlebnisse schaffen können.

3. Chaos Marketing: die kontrollierte Rebellion. Der neue Ansatz, der besonders bei der Gen Z verfängt: "Unhinged Marketing". Diese Strategie basiert auf der Schaffung fiktiver Admin-Personas, die in sozialen Medien mit humorvollem, oft selbstironischem Content die Unternehmenstonalität durchbrechen.

Das Prinzip dahinter: Memes statt Marketingfloskeln, Pop-Kultur statt Produktfokus, authentische Nahbarkeit statt Corporate-Sprech. Entscheidend ist dabei nicht nur der Mut zur Unangepasstheit, sondern auch ein tiefes Verständnis der Sprache der Community und die Freiheit von internen Freigabeschleifen – nur so kann eine Marke schnell genug auf kulturelle Momente reagieren.

Loredana Julia Schelper

"Die Marken, die bei Gen Z wirklich durchdringen, sind nicht die mit dem perfekten Marketing-Plan, sondern jene mit dem Mut, Teil der Kultur zu werden – mit all ihren Unberechenbarkeiten. Im Zeitalter der authentischen Relevanz ist kulturelle Kompetenz kein Nice-to-have mehr, sondern die Eintrittskarte in die Lebenswelt einer ganzen Generation."

Loredana Julia SchelperSenior Account Director Brand

Der Praxistest: Erfolg und Scheitern in der kulturellen Arena

Ein besonders lehrreiches Beispiel liefert adidas mit der "Originals"-Linie. Die Marke schaffte es, historisches Erbe mit zeitgenössischer Streetwear-Kultur zu verbinden und gleichzeitig durch Kollaborationen mit Künstlern und Designern authentisch zu bleiben. Der Erfolg dieses Ansatzes zeigt sich in der überdurchschnittlich starken Markenbindung bei der Gen Z. Beobachtbar ist ein klarer Trend: Junge Konsumenten bevorzugen Marken, die wie adidas kulturelles Erbe zeitgemäß interpretieren und so eine Brücke zwischen Tradition und aktuellen kulturellen Strömungen schlagen.

Auf der anderen Seite stehen Marken, die versuchen, kulturelle Relevanz durch oberflächliche Aneignung von Trends zu erreichen. Es ist faszinierend zu sehen, wie präzise diese Generation ihre kulturellen Antennen ausgerichtet hat – sie spürt sofort, wenn eine Marke lediglich Trends kopiert, ohne deren tiefere Bedeutung wirklich verstanden zu haben. Das Resultat ist fatal: Statt Nähe zu schaffen, führen solche oberflächlichen Versuche eher zur aktiven Ablehnung der Marke. Diese überdurchschnittliche Sensibilität für authentische kulturelle Teilhabe ist mittlerweile eines der prägendsten Merkmale im Konsumverhalten der unter 25-Jährigen.

Die unbequeme Wahrheit: Kultur kann man nicht kontrollieren

Vielleicht der wichtigste Insight für Marketingverantwortliche: Kulturelle Relevanz bedeutet, einen Teil der Kontrolle abzugeben. In der Gen Z-Ära gehören Marken nicht mehr den Unternehmen – sie gehören den Communities, die sie nutzen und interpretieren. Dies erfordert Mut und eine neue Form der Markenführung: weniger Kontrolle, mehr Mitbestimmung; weniger Monolog, mehr Dialog.

Der Weg nach vorn

Als Kommunikationsexpertin sehe ich, dass die erfolgreichsten Marken längst verstanden haben, dass Kulturrelevanz kein isoliertes Marketingprojekt sein kann. Sie haben die kulturelle Sensibilität in ihrer gesamten Organisationsstruktur verankert.

Eine ehrliche Bestandsaufnahme ist der erste Schritt: Wo steht eine Marke im kulturellen Kontext ihrer Zielgruppe? Welche authentischen Verbindungspunkte gibt es zwischen der Markengeschichte und aktuellen kulturellen Strömungen?

Der Kampf um kulturelle Relevanz ist kein taktischer Sprint, sondern ein strategischer Marathon – aber einer, der über die Existenzberechtigung von Marken in der Zukunft entscheidet. Wer jetzt anfängt, authentisch Teil relevanter Kulturräume zu werden, sichert sich einen Platz im Leben der Gen Z – und damit letztlich am Markt von morgen.

Landkarte quadratisch

Unsere Brand Practice

Sie brauchen Unterstützung bei der Einordnung und strategischen Positionierung Ihrer Marke? Wir unterstützen Sie gerne.

Sprechen Sie uns gerne an.